Prävention statt Schmerztherapie
Oft stolpere ich bei meinen Recherchen im Netz über das Versprechen, dass eine einzige Übung gegen bestimmte Symptome oder Schmerzen wirkt. So sollen zum Beispiel Schulter-, Rücken oder Hüftbeschwerden mit wenig Aufwand, in kürzester Zeit verschwinden.
Als ehemalige Profitänzerin weiß ich, wie aufreibend und nervenraubend Verletzungen, Verschleißerscheinungen oder schmerzhafte Blockaden sein können. Es ist naheliegend, dass man in herausfordernden Situationen für schnelle Lösungen anfällig ist, die unmittelbare Entlastung in Aussicht stellen.
Meine jahrelange Erfahrung mit Bewegungstraining hat mir immer wieder gezeigt, dass der Körper lernen muss sich selbst zu helfen, indem er gesunde Bewegungsmuster trainiert, die ihn stabilisieren, öffnen und widerstandsfähig machen. Körperliche Aktivität sollte also möglichst in Form einer beständigen Praxis in den Alltag integriert und den individuellen physischen Voraussetzungen oder bereits vorhandenen Einschränkungen angepasst werden.
Um die Muskulatur und das Bindegewebe gezielt und gelenkschonend zu trainieren, braucht es zudem eine gründliche Aufwärmphase. Spezifische Übungen zur Prävention und Schmerzlinderung sind ohne Vorbereitung des Körpers wenig effektiv und erreichen die empfindlichen Regionen gar nicht in der Tiefe. Auch die gewissenhafte Wiederholung von Bewegungsabläufen ist wichtig, um ihre Informationen und Effekte zu verinnerlichen und schließlich dauerhaft zu verkörpern.
In erster Linie wirkt somatisches Training gegen Bewegungsmangel durch stetiges Sitzen, wenig Sport und mentale wie physische Überlastung. Im Berufs- oder Familienalltag bleiben Bewegung und Training oft auf der Strecke. Selbst die Freizeit vieler Menschen ist von Bewegungsmangel geprägt.
Oft stehen uns zu hohe Ziele und Erwartungen im Weg, wenn wir mehr Bewegung in unseren Alltag integrieren wollen. Das lässt die Motivation sehr schnell wieder sinken. Wenn wir uns aber von der Vorstellung verabschieden, dass mit Bewegungstraining kurzfristige Ergebnisse erzielt werden, lernen wir die Praxis selbst wertzuschätzen. Dabei reichen bereits zwanzig bis dreißig Minuten am Tag aus, weil kurze, gut abgestimmte Übungseinheiten sehr effektiv sein können. Selbst wenn wir nicht täglich trainieren, etablieren wir so eine gesunde Routine, die wir langfristig gar nicht mehr missen möchten. Die besten Voraussetzungen dafür sind Freude an Bewegung, ein angemessenes Trainingspensum, die Möglichkeit soziale Kontakte zu knüpfen beziehungsweise Raum für Rückzug im eigenen Zuhause.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Faszienforschung ist es nicht mehr zeitgemäß, den Trainingsfokus ausschließlich auf eine bestimmte Körperpartie zu legen. Mit einseitigen Übungen werden das Zusammenspiel der verschiedenen Körpersysteme sowie die Verbindung des Skeletts und der Tiefenmuskulatur über komplexe Faszienschläuche übergangen.
Darüber hinaus ist auch ein Ausgleich der Bewegungsrichtungen im Körper empfehlenswert, denn das Üben von neutralisierenden Abläufen und Gegenbewegungen erleichtert das Vergrößern der gesamten Bewegungsspanne in den Gelenken.
Somatisches Training ist besonders wirksam als regelmäßige Übungspraxis zur Prävention von Bewegungsmangel, Haltungsschäden und Fehlbelastungen. Mit ihrem ganzheitlichen Fokus und der sanften Herangehensweise dient die Methode aber auch dem Ausgleich von Dysbalancen. So können körperliche Beschwerden gelindert, Blockaden gelöst und Bewegungsabläufe optimiert werden.
Eine eigene Bewegungsroutine zu entwickeln und aufrecht zu erhalten kann anfangs herausfordernd sein. Auf dem Weg der Selbstpraxis begegnen wir immer wieder Hürden und Hindernissen und werden angehalten, uns mit der Praxis besonders in den Momenten anzufreunden, in denen sie zäh oder konfrontierend ist.
Im somatischen Training bekommen wir jedoch auch die Möglichkeit auf unsere innere Stimme zu hören und den Bedürfnissen des Körpers zu folgen. Wir können uns von unserem natürlichen Bewegungsdrang leiten lassen, denn der eigene Körper ist ein weiser Lehrer. Wenn wir ihm vertrauen, ihn respektieren, ihm Zeit geben und achtsam sind, werden wir langfristig mit mehr Aktivität, Mobilität und Regeneration belohnt.
Weitere Blogbeiträge
Das Buch zur Methode
In meinem Buch "Somatisches Training – Die Kraft der sanften Bewegung" teile ich meine Erfahrung und ausgewählte Übungen, um dich auf deinem Weg zu mehr Wohlbefinden zu begleiten. Ob für herausfordernde Lebensphasen oder als tägliche Praxis – die sanften Bewegungsabläufe helfen dir, Kraft zu tanken, Beweglichkeit zu fördern und Verspannungen zu lösen.